Terra Infinita sind kein gewöhnliches Bandprojekt, sondern ein weit verzweigtes Kollektiv aus Produzentinnen, Programmiererinnen und Stimmakrobat*innen, das 2023 über kryptische Discord-Kanäle zueinanderfand. Die Mitglieder leben rund um den Globus, treffen sich selten persönlich und begreifen Heavy Music als interdisziplinäres Ritual, in dem Metal, Filmmusik und digitale Kunst verschmelzen. Jede Live-Show wird als multimediale Installation geplant, jeder Social-Media-Post als Baustein eines stetig wachsenden Narrativs. Masken wahren nicht nur Privatsphäre, sie schützen die Idee, dass Persönlichkeit hinter dem Klang zurücktritt.
Schon der erste Kickdrum-Impuls reißt ein Tor auf: „Zeitenwende“, das Debüt der anonymen Klangarchitekten, ist weniger Album als Initiationsritus. Gesichter, Background-Storys oder Ego-Posen bleiben außen vor, damit sich der Fokus ungeteilt auf das richtet, was zählt: Musik, die Melodic-Death-Gewalt, orchestrale Pracht und elektronische Texturen zu einer Reflexionsfläche für existenzielle Fragen verschmilzt.
Die Produktion folgt dem Credo „Dynamik schlägt Dezibel“. Sub-fundierte Kicks, tief gestimmte Gitarren und kristallklarer Sopran behalten Luft zum Atmen; fein platzierte Field-Recordings – Funken, Herzschläge, flackerndes Feuer – weiten das Klangpanorama in Cinemascope. So entsteht Druck ohne Überkompression und Detailfülle ohne Frequenzchaos.
Acht Tracks markieren acht Stationen eines Mythos. „Finsterherz“ schleicht mit Tribal-Toms und Chorfanfaren aus dem Halbdunkel, „Fremdgedacht“ jagt Industrial-Claps und synkopierte Riffs wie Leuchtspurmunition durchs Stereofeld. In „Blut und Erde“ treffen folkige Skalen auf rituelle Percussion, während ein Herzschlag-Loop die Erdmetapher körperlich spürbar macht. „Brich den Fluch“ kippt von Palm-Mute-Gewittern in einen sakral gesungenen Refrain, „libera nos“ als Exorzismus in Moll. Die Single „Feuer“ zündet behutsam mit Glockenspiel, schaukelt zwischen 4/4-Strophe und 12/8-Refrain und mündet in eine Cluster-Wall, über der der Sopran wie Mittelalter-Cantus schwebt. „Das Gift in Dir“ verdichtet Noise-Sweeps, Triplet-Grooves und ein rückwärts gesprochenes Easter Egg zu klaustrophobischem Druck. „Licht im Schatten“ beginnt akustisch, wird von einer Gitarrenwand zerteilt und wagt ein A-cappella-Intermezzo, in dem Sopran und Growl ein Call-and-Response führen. Den Schlusspunkt setzt der Titelsong: alles auf Maximum, dann Stille – ein einsamer Herzschlag, ein letzter Synth-Glissando, offene Frage.
Textlich jongliert das Kollektiv mit Archetypen – Feuer, Schatten, Fluch, Erlösung – und legt sie dialektisch übereinander („Gift und Heilung“, „Licht im Dunkel“). Antworten liefert das Album nicht; es öffnet Resonanzräume, die das Publikum selbst füllen muss: Wer sind wir ohne Masken, und welche Freiheit riskieren wir?
Unsere Wertung:
9,5 von 10 Metalhands
Unser Fazit:
Unterm Strich liefert „Zeitenwende“ ein Doppelmanifest: innerweltlich als Auftakt einer größeren Story, außerweltlich als neue Referenz im Metal-Panorama 2025. Wer progressive Härte, cineastische Breite und intellektuelle Substanz in einem Atemzug sucht, findet hier kein Album, sondern ein Erlebnis – einen Tempelgang, nach dem man verändert ins Licht tritt.
Mehr zu Terra Infinita im Netz:
Terra Infinita – Die offizielle Homepage:
https://terra-infinita.com
Terra Infinita bei Bandcamp:
https://terra-infinita.bandcamp.com
Terra Infinita bei Spotify anhören:
https://open.spotify.comartist/3HYMmqdnNxmLv9Yh9PdYkM