Wenn Donner über die Steppe rollt und der Wind die alten Lieder der Nomaden trägt, dann erhebt sich eine Stimme, die Vergangenheit und Gegenwart in Klang verwandelt: Suld. Die Folk-Rock- und Metal-Band aus der Inneren Mongolei lässt die Seele ihrer Heimat in moderner Form weiterleben – mit archaischer Wucht, instrumentaler Finesse und einer kulturellen Würde, die weit über Genregrenzen hinausreicht. Zwei ihrer eindrucksvollsten Werke, „The Memory Of Nomadism“ und „Chingghis Khaan“, zeigen, wie eng Geschichte, Glaube und Musik miteinander verwoben sein können.
Die Wurzeln der Steppe – Das sind Suld:
Seit ihrer Gründung im Jahr 2015 tragen Suld den Geist der mongolischen Steppe auf internationale Bühnen. Der Bandname, der „Glaube“ und „Ehre“ bedeutet, spiegelt ihren künstlerischen Kern wider. Angeführt von Sänger und Kehlkopfvirtuosen Baisile verschmelzen traditionelle Instrumente wie die morin khuur (Pferdekopfgeige) und das mödün chaoer mit moderner Rock- und Metal-Ästhetik. Hinzu kommt das eigens entwickelte Instrument SULD, das den Sound noch unverwechselbarer macht. Das Ergebnis ist eine Musik, die den Hörer in weite Landschaften führt, wo Geschichte und Gegenwart sich begegnen – majestätisch, roh und zutiefst menschlich.
„The Memory Of Nomadism“ – Zwischen Erinnerung und Aufbruch
Mit dem 2017 erschienenen Album „The Memory Of Nomadism“ formulierten Suld eine musikalische Selbstverortung zwischen Tradition und Wandel. Das Werk thematisiert die Spannung zwischen nomadischem Leben und moderner Urbanisierung, zwischen Naturverbundenheit und Zivilisationsdruck. Schon die ersten Takte tragen eine erzählerische Kraft in sich: Die morin khuur schwebt über tiefen Basslinien, während treibende Trommeln und verzerrte Gitarren ein Fundament aus Energie und Erdung bilden. Doch trotz der metallischen Härte bleibt die Transparenz des Sounds erhalten – jedes Instrument atmet, jedes Detail ist spürbar.
Baisiles Gesang wechselt fließend zwischen rauem Kehlgesang und klaren, getragenen Passagen. Diese Wechsel schaffen Kontraste, die das Wesen des Albums prägen: Es ist Musik voller Bewegung, ein ständiges Wandern zwischen Licht und Dunkelheit, Erde und Himmel. Themen wie der Kreislauf der Natur, die Bedrohung der Steppe durch Urbanisierung oder die Sehnsucht nach Freiheit ziehen sich wie rote Fäden durch die Stücke. Dabei bleibt die Band ihrer kulturellen Wurzel treu – ohne Folklore zu imitieren, sondern sie als lebendige Sprache zu begreifen.
„The Memory Of Nomadism“ wirkt wie ein Klanggemälde, in dem jedes Instrument eine Geschichte erzählt. Die morin khuur singt von Wind und Erinnerung, die Gitarren treiben den Herzschlag der Moderne voran, und die Percussion malt das rhythmische Muster eines Reiterzugs in Bewegung. Hier wird Musik zum Erzählen, zum Bewahren und gleichzeitig zum Weiterführen einer Kultur, die niemals stillsteht.
„Chingghis Khaan“ – Geschichte, Macht und Vermächtnis
Sieben Jahre später erscheint mit „Chingghis Khaan“ das wohl reifste Werk von Suld. Ursprünglich für 2021 geplant, wurde das Album erst 2024 veröffentlicht – die zusätzliche Zeit floss hörbar in eine verfeinerte Produktion und eine thematische Verdichtung. Diesmal steht die Geschichte im Zentrum: Dschingis Khan und seine Generäle, ihre Vision, Weisheit und Entschlossenheit. Doch statt historischer Verklärung bietet das Album eine klangliche Reflexion über Stärke und Menschlichkeit.
In neun kraftvollen Songs entfaltet sich eine Mischung aus epischem Folk, thrashigen Riffs und meditativen Zwischentönen. „Subedei“ etwa verbindet dynamischen Kehlgesang mit markanten Rap-Passagen – ein wagemutiges Stilmittel, das die Brücke zwischen Tradition und Moderne schlägt. Der Song ist ein vulkanisches Gemisch aus altertümlicher Spiritualität und urbanem Rhythmus. „Proverbs“ dagegen taucht in tiefere, fast postmetallische Gefilde ein: getragen, düster, nachdenklich. Der Klang der morin khuur wirkt hier wie ein fernes Echo aus der Vergangenheit, das den modernen Sound durchdringt.
„Yelv Chucai“ zeigt eine weichere Seite der Band. Der Song beginnt balladesk, entwickelt sich aber zu einem intensiven, fast bluesigen Crescendo. Der warme Bass verleiht ihm Tiefe, während die Gitarren zwischen Melancholie und Aufbruch changieren. Trotz seiner Eingängigkeit bleibt das Stück zutiefst mongolisch – ein poetischer Ausdruck von Weisheit und Hoffnung. Auch Titel wie „Kublai“ und „Praise for Mukhal“ bezeugen die Vielfalt des Albums: Sie sind verspielt, rhythmisch und voller Lebensfreude, ohne die kulturelle Würde zu verlieren, die den Stil von Suld definiert.
Ein Klang zwischen Himmel und Erde
Mit „Chingghis Khaan“ beweisen Suld, dass musikalische Weiterentwicklung ohne Traditionsbruch möglich ist. Das Zusammenspiel von Folk-Instrumenten, Rap-Elementen und metallischer Energie wirkt nie konstruiert, sondern organisch. Jeder Song ist durchdacht, jede Melodie trägt symbolische Bedeutung. Das Album klingt wie eine filmische Reise durch Geschichte, Landschaft und Geist – monumental und doch intim.
Verglichen mit „The Memory Of Nomadism“ ist der neue Longplayer fokussierter, stärker in sich verdichtet. Während das ältere Werk den nomadischen Geist atmet, feiert „Chingghis Khaan“ das Vermächtnis derer, die ihn prägten. Beide Alben ergänzen sich: Das eine erzählt von Bewegung, das andere von Bestimmung. Zusammen bilden sie ein geschlossenes künstlerisches Universum, das Folk Metal aus Asien auf ein neues Niveau hebt.
Unsere Wertung:
9 von 10 Metalhands:
Unser Fazit:
„The Memory Of Nomadism“ und „Chingghis Khaan“ sind zwei Kapitel einer Reise durch Klang, Kultur und Geschichte. Suld vereinen auf beeindruckende Weise die Klangtraditionen der Mongolei mit der Wucht moderner Rock- und Metal-Strukturen. Sie schaffen Musik, die gleichermaßen episch wie berührend ist – Musik, die atmet, lebt und über Grenzen hinausweist. Wo das erste Album den Geist der Wanderer trägt, erhebt sich das zweite als klingendes Denkmal der mongolischen Seele. Gemeinsam zeigen sie: Die Steppe schweigt nie – sie singt, und Suld sind ihre Stimme.
Empfohlen für: Liebhaber von Folk Metal, Weltmusik und kulturell verwurzeltem Rock. Beide Alben sind auf den gängigen Plattformen erhältlich und zeigen, dass Musik eine Sprache ist, die keine Grenzen kennt.
Mehr zu SULD im Netz:
Suld bei Instagram:
https://www.instagram.com/suld_official
Suld bei Bandcamp:
https://suld.bandcamp.com/
Suld bei Spotify anhören:
https://open.spotify.com/artist/0cnOwv5KgzsHEKRq4ZbAND